Wissenschaftsreportage / Technik
Wissenschafts- und Technikthemen mit der kreativen Stilform der Reportage zu verbinden, das ist meine Leidenschaft. So wird für die Leserinnen und Leser fühlbar, wie unsere Zukunft aussieht. Einige meiner großen Technik-Reportagen haben schon öffentliche Diskussionen in Gang gesetzt über die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen.
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Reportagen Nr. 45, März 2019
Der Schleier fällt der alten Dame vor die Augen, als die Braut sie umarmt, sie spürt das aufgeregte Zittern der jungen Frau, sieht ihre nackten Schultern, bewundert das silbrig-schimmernde Haarband, den dunklen Dutt. Er ist so glatt, als wäre er aus Porzellan. Dann hebt die Braut den Schleier. Ihr Gesicht kommt immer näher, so nah, dass es unscharf wird.
Die alte Dame sieht die Brautmutter, die vor Rührung weint, den Brautvater. Und dann kommt er endlich. Der Bräutigam, ihr Enkel! Für die alte Dame ist er wie ein Sohn. Und nun wird er heiraten. Natürlich würde die alte Dame bei diesem Ereignis dabei sein, das war ihr immer klar gewesen. In der Menge der Feiernden würde sie stehen, eine der ersten Gratulantinnen sein. Doch das Leben kam anders. Und mit ihm eine Horde junger Männer, Freunde ihres Enkels, die sie zu einem Versuchskaninchen machten für eine neue Technologie, die sie „Augmented Human“ nennen, der erweiterte Mensch.
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Die ZEIT, 23. Januar 2019
Wenn wir aus dem aktuellen Hack die richtigen Schlüsse ziehen, kann sich etwas ändern. Entwickler bekommen zu wenig Freiheiten, um Sicherheit zu berücksichtigen. Ein genauerer Blick auf die Rolle der Unternehmen lohnt sich, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Beim aktuellen Hack waren die Schuldigen schnell ausgemacht: die dummen Nutzer und ihre schlechten Passwörter. Und ein Schüler, der offenbar nicht ausgelastet war und durch pures Herumprobieren viele dieser Passwörter erriet. Doch so einfach ist die Realität nicht. Es gibt schon seit mehr als 20 Jahren ein Forschungsgebiet namens „Usable Security“, nutzbare Sicherheit, und auch die Forschungsrichtung „Privacy by design“ wurde bereits im Jahr 2000 geboren: beide entwickeln Methoden, die Privatsphäre so in Technik einzubauen, dass der Mensch und seine Natur dabei nicht vergessen werden. Sicherheit und Privatsphäre sollen bereits im Design von Computersystemen und nicht erst in der Anwendung berücksichtigt werden.
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Science Notes 3/2019 - Ausschnitt
Wie eine Recherche in der virtuellen Realität nicht nur mein echtes Leben verändert hat, sondern mir gezeigt hat, wie relativ unsere Idee der scheinbar exklusiven Realität ist.
An einem Tag im Juni 2016 setze ich zum ersten Mal meinen Fuß in eine andere Realität. Ich stehe in der Abendsonne unter einem Baum. Die Blätter zeichnen ein Muster auf den Boden. Ich höre das Gemurmel von Menschen, die aussehen wie Roboter, der Himmel ist unglaublich tief.
Eigentlich steht mein Körper in meinem Wohnzimmer und doch bin ich ganz woanders. Ich habe mir ein klobiges Headset über den Kopf gestülpt, dicke Kopfhörer dazu, und befinde mich plötzlich in dieser anderen Welt. Sie heißt „Altspace VR“, diese Welt, und es ist ein sozialer Treffpunkt in der Virtuellen Realität. Hier geht es nicht um Spiele, sondern um das Soziale. Es gibt zu dieser Zeit drei oder vier ähnliche Treffpunkte dieser Art in der Virtuellen Welt.
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Die ZEIT, 7. Februar 2019 - Ausschnitt
Gefühle und Krankheiten, sogar Persönlichkeitsmerkmale lassen sich aus der menschlichen Stimme heraushören. Wir selbst sind dafür taub, aber Maschinen entschlüsseln die versteckten botschaften. Das sollte uns Sorgen machen
Björn Schuller ist ein mitreißender Redner. Aus seinem Mund fließen keine gleichförmigen, neutralen Sätze, es ist ein Auf und Ab, es wechseln euphorische Passagen mit nachdenklichen ab, er berichtet von Erfolgen und Herausforderungen in seiner Forschung rund um Computer, die Emotionen von Menschen entschlüsseln können. Das Publikum weiß, was er sagen wird, alle sind mit dem Thema befasst – dennoch hören alle gebannt zu. Es ist alles anders als bei vielen wissenschaftlichen Konferenzen: bei dieser Keynote der Konferenz „interEmotio“ des BMBF im Januar 2018 in Bonn macht das Zuhören Spaß.
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Die ZEIT, 22. Februar 2018 - Ausschnitt
Computertechnik fordert Augen und Ohren, alle anderen Sinne liegen brach. Jetzt machen Forscher digitale Welten fühlbar.
Ach, wäre er doch Musiker geblieben! Wie richtig und wie falsch zugleich dieser Wunsch ist, das zeigt sich in diesem schlichten Informatiklabor zwischen Kabeln und technischen Geräten. Brent Gillespie, Maschinenbau-Professor der University of Michigan und gerade für ein Forschungsfreisemester in Stuttgart, sitzt vor einem komplizierten mechanischen Aufbau. Er dreht hier und da vorsichtig an einer Schraube, schlägt die weiße Taste am einen Ende des Aufbaus an und beobachtet ganz genau, was das in der Apparatur bewirkt. Am anderen Ende, einen Meter entfernt, schlägt ein mit Filz überzogenes Hämmerchen auf eine Saite. »Steinway Action« steht auf einer kleinen Blechtafel, darunter eine Widmung. Diese Taste, mitsamt der Mechanik aus einem Konzertflügel ausgebaut, ist das Geschenk eines befreundeten Musikprofessors.