Portrait
Ein gutes Portrait lässt den Menschen spürbar werden und das, was ihn antreibt. Ein gutes Portrait ist ehrlich, es schönt nicht, es zieht nicht durch den Dreck, es zeigt einen Menschen mit all seinen Träumen und seinen Zweifeln, seinem Scheitern und seinen Erfolgen. Ein gutes Portrait steht obendrein für etwas größeres. Es stellt einen Menschen in den Vordergrund, der für ein größeres Thema steht.
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stern.de, 16.09.2010 - online
Die Opferangehörigen des Amoklaufs von Winnenden kamen mit großen Erwartungen zum Prozessauftakt, aber die erste Verhandlung brachte sie auf. Vielen war das Aufeinandertreffen zu schmerzhaft.
Barbara Nalepa sitzt mit rot verweinten Augen im Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts, auf dem Tisch vor ihr eine Packung Taschentücher, das Foto ihrer verstorbenen Tochter Nicole in der Hand. Es ist nicht einfach für sie und auch nicht die anderen Angehörigen der Opfer des Amoklaufs von Winnenden. Seit mehr als einem Jahr warten sie auf diesen Tag. Sie wollen dem Vater des Täters in die Augen sehen, mit dessen Waffe Tim K. am 11. März 2009 15 Menschen, großteils Schülerinnen seiner ehemaligen Schule, und dann sich selbst erschoss.
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Der Tagesspiegel, 29.08.2010 - pdf
Der Schauspieler Walter Sittler steht an der Spitze der Protestbewegung gegen das Projekt Stuttgar 21. Eine Protestwoche an der Seite des späten aber kompromisslosen Rebellen zeigt, wieso es im Stuttgarter Talkessel brodelt.
40 000 tanzen nach seiner Pfeife. Die Pfeife baumelt an einem roten Band um den Hals von Walter Sittler. Sie ist seit Wochen sein wichtigstes Utensil. Der Schauspieler steht auf der Rednertribüne vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof, hebt die Hände und fängt an, von zehn abwärts zu zählen. Bei „acht“ stimmen die 40 000 Menschen auf der Freitagsdemonstration mit ein, 7,6,5,4. Bei „eins“ holt Sittler tief Luft, die Menge mit ihm, bei „null“ bläst er in die Pfeife: Auf vom Platz vor ihm ertönt ein ohrenbetäubender Lärm. 40 000 Menschen trillern, trommeln, schreien. Nach genau einer Minute hebt Sittler wiederum die Arme und streicht wie ein Dirigent am Ende des Stückes quer durch die Luft. Schlagartig Ruhe. „Oben bleiben!“, skandiert der Schauspieler dann den Schlachtruf der Gegner des geplanten Tiefbahnhofes. Der Stuttgarter Talkessel hallt wider vor Protestrufen.
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Stern Ratgeber Bildung, 1/2010
An der Grund- und Hauptschule Altingen in Ammerbuch, Baden-Württemberg, dürfen die Schüler mitbestimmen, ihre Lehrer manchmal sogar überstimmen.
Die Neuntklässler sitzen im Stuhlkreis in ihrem Klassenzimmer. An der Tür hängt ein Zettel, auf dem steht: "Du bist nicht nur verantwortlich für das, was du tust, sondern auch für das, was du nicht tust." Es ist still. Einige Mädchen schauen verlegen auf den Boden, zwei Jungen in bunten Kapuzenpullovern blicken demonstrativ aus dem Fenster, die Unterlippen trotzig nach vorne geschoben. Nur Markus (Name geändert) grinst. Der schlaksige Junge flätzt auf seinem Stuhl, die Hände in den Hosentaschen, die Beine streckt er lässig in die Runde. Ihm gegenüber sitzt Rektor Ulrich Scheufele. "Wie fühlt man sich, wenn man über ein ernstes Problem sprechen will und andere lachen?" fragt er.
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Stuttgarter Zeitung, 08.10.2009 - pdf
Früher hieß der Verein Hilalspor und hatte nur türkische Mitglieder. Heute treten beim FC Stuttgart Spieler aus dreizehn Nationen gegen den Ball. Die C-Jugendlichen Pa-Kully, Sinan und Wael träumen von einer großen Karriere.
Am Hallschlag, wo die Häuser gleichförmig Schlange stehen, eines am anderen, drei Stockwerke, immer gleich, da ist Pa-Kullys Zzuhause. Abends spielt er auswärts. Die massiven Eisenstäbe rattern laut mit jedem Ball, den Pa-Kully und seine Freunde energisch gegen das Metall kicken. Pa-Kully hat breite Schultern und Hummeln im Hintern. „Let’s play Fußball“, ruft er. Oder: „He, rennt doch mal.“ Und, zum Kleinsten in der Gruppe: „Chill doch mal mit dem Ball, chill doch.“
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stern.de, 12.11.2008 - online
In der Adventszeit stellen wir jeden Tag einen Menschen vor, den sein Engagement für andere oder der Umgang mit dem eigenen Schicksal auszeichnet. Heute: Zackie Achmat. Der Südafrikaner kämpft für die Anerkennung der HIV-Positiven in seinem Land.
Die jungen Männer sitzen dicht gedrängt in dem kleinen Raum eines heruntergekommenen Hauses im Slum Khayelitsha, nahe Kapstadt. In ihrer Mitte Zackie Achmat, 46. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "HIV positive". Die Männer planen Großes: Eine Demonstration gegen Gewalt und für die Rechte von Homosexuellen. "An diesem Marsch sollte niemand unter 16 Jahren teilnehmen - die Lage ist alles andere als einfach", sagt Achmat besorgt.