Für den Deutschlandfunk habe ich in zwei größeren Feature (einer Mini-Serie) die Geschichte und Gegenwart des Hacktivismus nachgezeichnet und insbesondere der Hack&Leak-Bewegung, die aktuell immer zielgerichter wird.
Das wirft viele Fragen auf - zum Beispiel: Sind offene Daten immer gut? Und wie soll die Gesellschaft damit umgehen, dass zunehmend auch anti-demokratische Akteurinnen und Akteure Daten leaken, wie der russische oder der iranische Geheimdienst?
Erschienen am 5. August (Teil 1) und am 12. August 2024 (Teil 2) im Deutschlandfunk
Immer mal wieder bekomme ich Zugang zu gehackten Daten und meistens verbergen sich darin wichtige und relevante Geschichten, die Probleme und Missstände aufdecken. Meine letzte größere Geschichte, die auf einem solchen Leak basierte, war die zur NoFly-List der USA, mit der die Freiheit von tausenden Menschen oft willkürlich eingeschränkt wird.
Von daher erscheint es eigentlich klar: Mit Hacking und Leaking erreichen Daten die Öffentlichkeit, die relevant sind für die Gesellschaft und für die Demokratie. Oder nicht?
Naja, es gibt mindestens einen großen Hack in der jüngsten Geschichte, der die Demokratie bedroht hat: Im US-Wahlkampf 2016 hat der russische Geheimdienst Emails der Demokraten gehackt und veröffentlicht, und damit die öffentliche Stimmung beeinflusst. Manche sagen sogar, Trump habe deshalb die Wahl gewonnen. Das glaube ich nicht, aber dass der Hack einen Einfluss hatte, ist unumstritten.
Der russische Geheimdienst kam immer wieder zur Sprache in meiner Recherche für diese Mini-Serie zu Hack & Leak für den Deutschlandfunk. Denn die Aktion macht klar: Ganz so einfach ist es nicht; Hack & Leak kann nach hinten losgehen, es kann der Demokratie auch schaden.
Je genauer ich hingeschaut habe im Zuge dieser Recherche und je mehr ich nachgefragt habe, umso schwieriger wurde das Thema. Denn natürlich kommt jedes Leak mit einer Agenda - Hacktivist:innen haben Interessen, und es ist wichtig, diese zu kennen, bevor ich als Journalistin zum Beispiel mit den Daten arbeite.
Gleichzeitig ist aber oft nicht klar, wer sich hinter einer Aktion verbirgt. Auch der russische Geheimdienst hat sich zunächst als Hacktivist ausgegeben und Wikileaks hat mitgespielt (oder ist darauf reingefallen). Ganz aktuell entpuppt sich möglicherweise der iranische Geheimdienst als neuer machtvoller Hacktivist mit einer ganz eigenen fragwürdigen Agenda. Er soll hinter einem Hack des israelischen Verteidiungsministeriums stehen und auch die Trump-Kampagne angegriffen haben. Noch ist es zu früh um zu beurteilen, welchen Schaden diese Aktivitäten real anrichten. Dass der Iran diese Strategie Russlands übernimmt, ist aber sicher kein gutes Zeichen.
Gleichzeitig gibt es auch Hacktivismus mit hehren Zielen - es geht um Aufklärung, um den Schutz der Demokratie und auch darum, die zu stärken, die nicht zu Wort kommen oder von Ausgrenzung oder Verfolgung betroffen sind. Und auch hier tut sich einiges. In meiner Mini-Serie zu Hack & Leak kommt unter anderem ein Antifaschist zu Wort, der Nazis im Netz jagt, und die Schweizer Hacktivistin Maia Crimew, die vom FBI gesucht wird und die unter anderem die NoFly-List "gefunden" hat.
Außerdem Jeremy Hammond, gewissermaßen der Begründer der Hack&Leak-Bewegung, der sieben Jahre in den USA im Gefängnis saß, und Gabriella Coleman, die an der Harvard University über Hacktivismus forscht. Zudem habe ich mit Lorax Horne über das Portal DDOS-Secrets gesprochen und die Frage, ob und welche Grenzen es gibt bei der Veröffentlichung von Leaks - beispielsweise, wenn diese vom iranischen Geheimdienst oder von russischen Cyberkriminellen stammen.
Hier geht es zu Teil 1, in dem ich den aktuellen Stand des Hacktivismus nachzeichne und seine Geschichte - angefangen von den teils chaotischen Aktionen von Anonymous bis hin zu den heutigen teils perfekt organiserten und immer zielgerichteteren Hacks.
Und hier in Teil 2 spreche ich unter anderem mit Lorax Horne, Maia Crimew und Gabriella Coleman über ihre Aktivitäten, die Grenzen des Hacktivismus, die Rolle von Geheimdiensten und Cyberkriminellen und wieso es immer schwieriger wird zu erkennen, wer mit welchem Interesse Daten leakt. Wie soll die Gesellschaft mit Leaks umgehen - und sind offene Daten immer gut?