Kommentar auf spektrum.de, 27.3.2015 - Link
Fitness-Apps speichern Daten im Netz, selbst Ärzte greifen darauf zurück. Wer Zugang zu diesen hat, weiß mehr über uns, als uns lieb ist. In Zukunft könnten wichtige Entscheidungen anhand von diesem Wissen getroffen werden. Deshalb gehört es besser geschützt.
Viele Sportler nutzen Fitnesstracker, um ihr Training zu optimieren. Die Daten werden in der Cloud gespeichert, denn für eine lokale Speicherung und Auswertung sind die mobilen Geräte häufig nicht leistungsfähig genug. Eine wachsende Zahl an Apps bietet sich darüber hinaus an, Gesundheitsdaten von verschiedenen tragbaren Geräten zu sammeln, im Netz zu speichern und auszuwerten. Auch Mediziner setzen verstärkt darauf, Patientendaten online zu speichern, denn dort seien sie „sicher und stets verfügbar“, wie beispielsweise ein Arzt sagt, der Piloten auf ihre Flugtauglichkeit hin untersucht und eine Cloudlösung von IBM nutzt.
„Stets verfügbar“ sind sie dort unbestritten – nur eventuell für die Falschen.
Denn „sicher“ sind Daten in der Cloud zwar vor Hochwasser, aber ob die Verschlüsselung allen Angriffen trotzt, ist nicht absehbar. Manche Informatiker sagen, nur eines ist sicher: Daten lokal zu behalten. Aber die größte Gefahr sind nicht Hacker oder die NSA, sondern Nachlässigkeiten der Anbieter. Erst kürzlich hat Google versehentlich vertrauliche Inhaberdaten von 300 000 geschützten Domains veröffentlicht - ausgerechnet von Kunden, die explizit Anonymität gewünscht hatten. Der Konzern entschuldigte sich, das sei ein Versehen gewesen, ein technischer Fehler. Die Betroffenen haben davon herzlich wenig. Sie können ihre Daten wohl kaum wieder einfangen: einmal im Netz werden sie schnell vervielfältigt und hier und da gespeichert. Google rangiert am oberen Ende der Skala von Unternehmen, die auf dem Stand der Technik sind. Der Konzern kauft sich die besten Entwickler ein und sollte wissen, wie Informationen geschützt werden. Zumal das in diesem Fall das Geschäftsmodell war, Kundendaten anonym zu halten. Angesichts solcher Beispiele, kann man getrost davon ausgehen, dass Daten in der Cloud nicht sicher sind.
Nun ist es aber herrlich bequem, von überall auf die eigenen Fitness-Daten zugreifen zu können. Und außerdem: Was habe ich schon zu verbergen? Wer sich genauer damit beschäftigt, was Gesundheitsdaten über den Betroffenen aussagen, wer daran Interesse und welche Folgen das in Zukunft haben könnte, der merkt, dass es darum schon lange nicht mehr geht. Allein die Verhaltensdaten, die ein Smartphone heute aufzeichnet, wie Kommunikationsaktivitäten, Bewegungen und Aufenthaltsort geben vieles über uns Preis: wo wir wohnen, wo wir arbeiten, wer unsere Freunde sind, wann wir schlafen und wo – und auch, ob wir einen Seitensprung haben. Das hat der Taxidienst Uber allein aus den Fahrtdaten seiner Kunden errechnet und damit für Aufsehen gesorgt. Kombiniert mit Gesundheitsdaten lässt sich errechnen, ob wir zu Depressionen neigen, wann wir vermutlich einen Herzinfarkt erleiden oder ob wir eine stabile Persönlichkeit haben.
In Zukunft lassen sich aus den weltweit gesammelten Daten beeindruckende Vorhersagen treffen: mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand ein aggressiver Autofahrer wird, noch bevor er den Führerschein hat, ob jemand ein schlechter Vater werden könnte, noch bevor er Kinder hat oder ob ein Dialysepatient es „wert“ ist, eine Spenderniere zu bekommen: womöglich hat der Algorithmus berechnet, dass er ohnehin bald stirbt und ein anderer Kandidat aussichtsreicher ist. Und soll ein potentiell aggressiver Autofahrer überhaupt einen Führerschein machen? Schlechte Eltern ein Kind bekommen?
Wollen wir das? Während wir häufig nicht die Wahl haben, wer welche Daten über uns erhebt, können wir uns als Gesellschaft darüber einigen, welche Entscheidungen anhand dieser Informationen getroffen werden sollen – und welche nicht. Bigdata hat zweifelsohne das Potential, unsere Lebensqualität zu steigern. Aber nur, wenn wir sicherstellen, dass das in unserem Sinne geschieht. Solange diese gesellschaftliche Diskussion nicht geführt ist, ist es nicht ratsam, freiwillig persönliche Daten in der Cloud zu speichern.
von Eva Wolfangel