Auslandsreportage mit Eva Wolfangel

stern.de, 14.04.2008  -  online

Simbabwe verharrt in angespannter Haltung. Ein generelles Versammlungsverbot und Übergriffe auf Oppositionelle schüchtern die Bevölkerung ein. Aber die Wut der Menschen wächst und sie finden andere Wege, ihre Rechte einzufordern.

Die Menschen strömen von allen Seiten in die Central Baptist Church im Stadtzentrum vom Harare. Tausende füllen schließlich den Kirchensaal, alle Stühle sind belegt. Die Menge rückt noch enger zusammen, auf jedem freien Fleck auf dem Boden sitzt jemand und schaut erwartungsvoll nach vorne. "Wir wollen die Wahlergebnisse, sofort!" steht auf den Flyern, mit denen die Christian Alliance, ein Zusammenschluss Geistlicher aus verschiedenen Kirchen Simbabwes, zum Gottesdienst geladen hat. "Wir Christen sollen uns nicht fürchten", sagt Jonah Gokova, der den Gottesdienst als Leiter einer landesweiten ökumenischen Initiative mit veranstaltet. Das ist leichter gesagt als getan. Gokova wurde schon einmal nach einer ähnlichen Veranstaltung von bewaffneten Polizisten festgenommen. Erst nach Tagen kam er gegen Kaution frei.

Seit zwei Wochen wartet die Bevölkerung Simbabwes auf die Wahlergebnisse der Präsidentenwahl. Während die Wahlkommission die Sitzverteilung im Parlament und eine Mehrheit für die Oppositionspartei MDC bereits bekannt gegeben hat, werden die Ergebnisse der Präsidentenwahl zurück gehalten. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Mugabe die Wahl verloren hat und seine Partei nur Zeit schinden will. Die Bevölkerung soll unter der Androhung von Gewalt bei einer Stichwahl für Mugabe stimmen, sagt Gokova. "Wir leben seit Jahren unter einer Diktatur, und wir hoffen, dass dies nun ein Ende hat."

Seit Freitag sind politische Versammlungen jeder Art polizeilich verboten - ungeachtet der Proteste von Anwälten und Oppositionspolitikern, nach denen die Polizei juristisch nicht befugt sei, landesweite Verbote zu verhängen. Die Kirchen sind der einzige Ort, an dem sich Menschen nach wie vor versammeln können. Viele sind deshalb zum Protestgottesdienst in die Central Baptist Church gekommen; auch die MDC-Vizepräsidentin Thokozani Khupe hat in der Kirchenbank platzgenommen. Die Stimmung ist kämpferisch. "Wir werden nicht aufhören, bevor Simbabwe frei ist!", ruft einer mit sich überschlagender Stimme in die Menge. Das Publikum klatscht. "Jesus wird nicht herunterkommen und uns helfen", sagt John Makumbe, Politikprofessor der University of Zimbabwe, den Gottesdienstbesuchern, "es ist unsere Kraft und unsere Verantwortung, Gerechtigkeit zu fordern - selbst wenn sie uns dafür verprügeln und einsperren." Der methodistische Bischof Levee Kadenge schlägt besonnenere Töne an. Er selbst habe Mugabe 1980 gewählt, sagt er. Nach der Unabhängigkeit sei der ein Held gewesen, "ein guter Mann." Aber die Dinge hätten sich geändert, er selbst sei nach einem kritischen Gottesdienst verprügelt und verhaftet worden, viele würden bedroht. Mugabe habe das Land zugrunde gerichtet. "Wir hören nicht auf zu protestieren, bis wir die Wahlergebnisse haben."

Vor der Kirche stehen Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken, zwei Wasserwerfer fahren auf und ab. Aber die Gottesdienstbesucher zerstreuen sich schnell. Diesmal wird keiner festgenommen. Die Angst vor Polizei und Militär ist dennoch groß. Mugabes Zanu-PF werde für eine eventuelle Stichwahl nach altbekanntem Muster vorsorgen, mutmaßt Eldred Masunungure, Politikwissenschaftler der University of Zimbabwe: "Die Zanu-PF wird insbesondere die Bevölkerung der ländlichen Gebiete bedrohen, weil sie sich von dort die größte Unterstützung erhofft." In der Tat melden unabhängige Zeitungen bereits erste gewalttätige Übergriffe gegen Dörfer, die bei den Wahlen vor zwei Wochen mehrheitlich für die Opposition gestimmt haben. Kriegsveteranen sollen mehr als 30 Hütten mutmaßlicher MDC-Wähler niedergebrannt haben.

In Harare herrscht dennoch erstaunlich offener Missmut gegenüber der Hinhaltetaktik der Regierung. Die regierungskritische Zeitung "The Zimbabwean", die in Großbritannien produziert und an den Straßenecken Harares verkauft wird, erfreut sich großer Nachfrage, die Menschen stehen zusammen und lesen Schlagzeilen wie "Terror time again". Das Warten auf das Wahlergebnis hat gerade in den Städten eine immer schwierigere Versorgungslage zur Folge. Seit Monaten kämpft das Land mit der welthöchsten Inflationsrate von mehr als 100.000 Prozent und einer Arbeitslosenquote von 80 Prozent. Angesichts der unsicheren Zukunft sinkt die Bereitschaft zu investieren. In vielen Supermärkten sind die Regale leer. Brot und Maisbrei, für viele die einzig erschwinglichen Nahrungsmittel, sind chronisch ausverkauft, vor den Bäckereien bilden sich mehrere hundert Meter lange Schlangen. Viele Bäcker haben angesichts der schwierigen Bedingungen die Produktion eingestellt, andere verkaufen ihre Produkte nur noch auf dem Schwarzmarkt. Eine Parallelwirtschaft hat sich längst etabliert - zu Preisen, die sich viele nicht leisten können. Die Supermarktregale könnten noch auf unbestimmte Zeit leer bleiben: "Wir warten das Ergebnis der Wahl ab", wird ein Filialleiter von der unabhängigen Wirtschaftszeitung "Zimbabwe Independent" zitiert, momentan sei alles zu unsicher.

Wie lange es noch dauern wird, bis sich etwas bewegt, ist schwer abzusehen. "Das schlimmste Szenario ist, dass Mugabe den Ausnahmezustand ausruft und das Militär regiert", sagt Jonah Gokova. Er setzt große Hoffnungen in das Urteil des höchsten Gerichtes zur Frage, ob die Wahlergebnisse zurückgehalten werden dürfen, das für Montag Abend erwartet wird. "Wir wollen, dass das Ergebnis verkündet wird und wir wieder anfangen können zu leben."

von Eva Wolfangel